Ägypten Reiseblog 2020 – Teil 3
Ägypten Reiseblog 2020 – 2 ½ Wochen in Wadi Lahami Teil 3
Teil 3 – auf einmal geht alles ganz schnell: die Rückholung!
Am 16.03.2020 kam die Info, dass die Flughäfen in Ägypten für 14 Tage gesperrt werden sollen. Da wir – siehe Ägypten Reiseblog 2020 Teil 2 – größtenteils keine Informationen zu unseren Rückflügen bekamen, haben wir alle Campteilnehmer bei der Krisenvorsorgeliste ELEFAND des Auswärtigen Amts eingetragen (sofern nicht schon geschehen). Die Website war deutlich überlastet und brach mehrfach bei der Dateneingabe zusammen.
Gegen 03.00h morgens am 17.03.2020 haben wir dann final alle noch nicht eingetragenen Reisegäste nachgetragen und danach versucht, die Tage ganz normal anzugehen und möglichst viel Zeit mit Kitesurfen, auf dem Wasser und in der Sonne zu verbringen. Schließlich hatten wir aufgrund der mäßigen Kommunikation der Airlines in Sachen Rückflüge mehr oder weniger kaum Alternativen, als die Zeit im Camp so gut es geht zu genießen.
Die Stimmung bei uns vor Ort war weiterhin gut – trotz ziemlich chaotischer Meldungen aus Ägypten, Deutschland und der Welt waren die meisten unserer Gäste (und auch wir) der Meinung, dass wir im Camp sicherer seien als in Deutschland. Allerdings war auch für das Team (kitesafe.de und Redsea-Divingsafari) eine steigende Belastung in Sachen Verantwortung und Planung spürbar:
Wie lange würden wir mit der Gruppe hier festsitzen, nachdem die Flüge eingestellt wurden? Haben wir im Camp genug Diesel, Wasser und Nahrung? Was passiert, wenn sich jmd. beim Kiten verletzt? Oder sonst irgendwie erkrankt?
Während der Sperrung sollen die Touri-Resorts desinfiziert und aufgerüstet werden (Desinfektionsspender etc) – was passiert mit uns, wenn wir während dessen noch im Camp sind? Was passiert, wenn ein Kontakt auf einmal positiv getestet wird? Da waren sie wieder: jede Menge Fragen, auf die es vorerst keine Antwort gab.
Nächste Hiobsbotschaft: die Checkpoints entlang der Rotes-Meer-Straße sollen dichtgemacht werden. Niemand kommt mehr von Süden nach Norden und umgekehrt. Das würde bedeuten, dass wir weder zum Flughafen nach Marsa Alam noch zum Airport nach Hurghada gelangen könnten. Kurze Panik bei uns, dann die Entwarnung: gilt nur für Einheimische, Touristen – vor allem die, die gerade ausgeflogen werden sollen – kommen weiterhin problemlos durch.
Phew…eine Sorge weniger, hurra! Und wie wir am 19.03.2020 durch das Chaos bei FTI durch unseren Gast erfahren sollten, waren die Checkpoints tatsächlich offen. Somit wäre also der Weg in die Freiheit…ach nein, der Weg nach Corona-Europa wieder offen. Wenn es denn überhaupt einen Rückflug gibt…
Zwischenzeitlich bekommen wir Post vom deutschen Botschafter: das System ELEFAND vom Auswärtigen Amt ist überlastet und man soll sich auf einer extra dafür eingerichteten eMail erneut eintragen, um bei einer Rückholung auf der richtigen Liste zu stehen. Zuversichtliche Worte und eine Mahnung zur Besonnenheit – nicht durchdrehen. Gesagt getan, die komplette Gruppe mit uns als Ansprechpartner erneut eingetippt und abgeschickt.
Das wird bestimmt noch eine Weile dauern, schließlich sind ja lt. Medien „nur“ 30 Maschinen in der ganzen Welt unterwegs, um die Touristen zurück nach Deutschland zu holen. Alleine in Ägypten 35.000 Deutsche, die zurückmüssen. Pro Flieger (mit Sicherheitsabstand zw. den Sitzen aufgrund CoViD-19) können etwa 200 Leute ausgeflogen werden, das macht alleine für Ägypten ja schon mindestens 175 Flüge…das wird also noch ein wenig dauern.
Und dann noch das Horror-Szenario für das kitesafe.de-Team: was tun, wenn wir nun einen Rückflug bekommen, der Rest oder Teile der Gruppe aber nicht? Oder wenn deren Rückflug nach unserem liegt? Sagen wir dann unseren Rückflug ab und bleiben mit dem Rest vor Ort, bis alle Kunden wieder auf der Heimreise sind? Kurzes Brainstorming und klare Antwort: ja, wir bleiben vor Ort, bis der letzte Kunde auf der Rückreise ist. Und die Hoffnung, dass wir vielleicht tatsächlich erst unseren regulären Rückflug Ende April antreten und bis dahin die Zeit in unserem kleinen Paradies verbringen können.
Allerdings schwebten über dieser Vorstellung bereits ziemlich düstere Wolken in Form von Diskussionen über Ausgangssperren, Grounding ganzer Airlines, Einstellung vom Flugverkehr, Quarantäne für alle Ausländer in Ägypten und vielem mehr. Aber bekanntlich stirbt die Hoffnung ja zuletzt – et hät noch immer jot jejange, wie man hier bei uns in Köln sagt.
Am 19.03.2020 waren wir durch die Odyssee von Andy, unserem FTI-Gast, abends etwas platt, aber froh, dass er halbwegs munter in Hurghada angekommen war und am nächsten Tag vermeintlich einfach mit FTI nach Frankfurt fliegen würde. Also gegen Mitternacht ab ins Bett, am nächsten Tag war schließlich Foilwind angesagt…und nach gefühlten 5min Schlaf werde ich von einem Geräusch wach, welches ich zwar kenne, aber irgendwie nicht mit Ägypten und Zelt in Verbindung bringe: das Klingeln meines Handys.
Als ich die Augen auf und die Grundfunktionen hochgefahren habe, sehe ich: 05:21h morgens. Ein Anruf in Abwesenheit – eine mir unbekannte Nummer. Kurz raus aus dem Zelt, Google nach der Nummer befragt und siehe da, die deutsche Botschaft in Cairo. Kurz darauf klingelt das Handy erneut, gleiche Nummer. Es ist 05:47 Uhr. Ein sehr freundlicher deutscher Mitarbeiter der Botschaft teilt mir mit, dass wir (die gesamte Gruppe) heute, 20.03.2020, um 16:30h von Marsa Alam aus nach Düsseldorf zurückgeflogen werden können.
Krass!
Wir quatschen kurz über alternative Flüge aufgrund der knappen Zeit (es gibt keine!), Optionen zum Aussitzen (das ist keine Option – wir möchten lt. Botschaft sehr glaubhaft nicht in ägyptische Quarantäne kommen) und einigen uns darauf, dass der Mitarbeiter mich wieder anruft, während ich in der Zwischenzeit unsere Gruppe aus den Federn werfe und deren Okay einhole, dass wir alle gemeinsam in ca. 11h die Heimreise antreten werden. Drei Probleme tauchen dabei auf:
- Was passiert, wenn eine Person aus der Gruppe nicht mitfliegen will?
- Können wir unser gesamtes Sportgepäck mitnehmen?
- Kriegen wir Stephan noch irgendwie mit auf die Liste, da er sonst einen Tag länger als der Rest im Wadi bleiben muss – wodurch Susi und ich ebenfalls bleiben würden?
Innerhalb von 30min sind alle auf den Beinen und fangen an zu packen – einstimmige Abreise, wir haben noch ca. 4h für Packen und Frühstück, der Transfer wird von der Redsea-Divingsafari organisiert (Danke Hisham & Islam!) und wird uns rechtzeitig zum Flughafen bringen. Und wie schon im Reiseblog 2020 Teil 1 erwähnt: es gab viel zu packen…
Um 06:56 Uhr klingelt mein Telefon, es ist wieder die Botschaft. Wir klären die offenen Punkte 2 & 3 (Gepäck wird klappen und Stephan kriegen wir noch unter!) und damit ist klar: wir werden heute noch durch die Rückholaktion von Auswärtigem Amt und der deutschen Botschaft in Cairo aus Ägypten ausgeflogen!
Krass.
Auf dem Weg zum Flughafen erfahren wir, dass in Hughada gar nichts klappt (siehe oben), wir stehen permanent mit Andy und der RSDS in Kontakt und versuchen, aus der Ferne zu helfen. Kurzer Zwischenstop im Hauptcamp, 15min Krisensitzung, keine Lösung, weiter zum Airport. Unterwegs Nachricht von Andy: FTI und Condor nehmen ihn nicht mit. Shit. Wir schicken ihn auf die Suche nach Botschaftspersonal, welches im Flughafen von Hurghada sein soll.
Nach gefühlt endloser Zeit dann kurz vor unserem CheckIn die frohe Kunde: Andy hat das Botschaftspersonal in Hurghada gefunden, auf einmal ging alles ganz schnell und jetzt sitzt er schon im Flieger nach Frankfurt und wartet auf den Start…uns fiel ein ganzes Zentralmassiv vom Herzen, da Susi und/oder ich sonst auch unseren Flug hätten aufgeben und nach Hurghada fahren müssen, um das Schlamassel mit Andy gemeinsam durchzustehen. Das können wir uns also sparen, hurra!
In Marsa Alam läuft währenddessen alles wie geplant: wir stehen alle auf einer Liste, Gepäck und Personen werden problemlos eingecheckt und wir haben sogar noch genug Zeit, um entspannt eine Pizza am Flughafen zu futtern – wohlbemerkt das allererste Mal für Susi und mich. Also ein Highlight in diesem etwas turbulenten Ägyptencamp.
Im TUI (Thilo-Und-Ische – is klar, oder?)-Flugzeug werden wir von einer spanischen Crew empfangen, die alle Fluggäste auffordert, sich für den ersten Teil der Strecke (Marsa Alam – Cairo) möglichst auf alle freien Reihen zu verteilen und somit Abstand zu potentiell infizierten Fluggästen zu halten. Wir entscheiden uns für Sitze am Notausgang – läuft!
Der Flug nach Cairo ist schnell und sehr ruhig, wir sinnieren über das, was da heute alles passiert ist. In Cairo angekommen, stehen wir ca. 40min auf dem Rollfeld, die Maschine füllt sich weiter. Zum Glück wurde niemand auf die Plätze am Notausgang gesetzt, wodurch auch der Weiterflug nach Düsseldorf mit X-Leg-Room stattfinden konnte. Läuft auch hier!
Der Flug nach Düsseldorf ist gefühlt lang und unauffällig. Die Crew ist freundlich, aber distanziert: Masken und Sprache bilden eine gut funktionierende Barriere. Wir vertreiben uns die Zeit mit Hörbüchern, Büchern, Filmen und Schlafen. Nach der Landung in Düsseldorf rollen wir in die Parkposition, danach springen auch hier fast alle Passagiere auf und wollen raus – das übliche Gebaren von gestressten Reisenden. Allerdings kommt von der Crew die Ansage, dass erst noch Gesundheitspapiere ausgefüllt werden müssen, welche die Bundespolizei gleich hereinreicht. Erst danach geht es weiter.
Das Formular fragt außer Wohnort und Kontaktmöglichkeiten noch die Sitzplätze sowie Symptome und Kontakt zu Symptomträgern oder Infizierten während der letzten 14 Tage ab. Innerhalb von 15min waren die Formulare ausgefüllt (bis auf wenige Ausnahmen, bei denen Fluggäste die Formulierung für unklar hielten und sich weigerten) und zurück an die Crew gegeben.
Doch statt Ausstieg kam nun eine fast 2stündige Wartezeit auf uns zu, denn 2 Fluggäste hatten die Häkchen wahrheitsgemäß gesetzt und fielen damit unter die Gruppe potentiell infizierter Fluggäste. Was den Auftritt von einem komplett schutzbekleideten Mediteam auf den Plan rief – leider hatte die Crew versäumt, dies anzukündigen (wir vermuten, dass sie ebenfalls keine Infos über den weiteren Ablauf hatten).
Und dadurch brach – zumindest in kleinen Herden – Chaos aus: Menschen wollten „sofort hier raus, ich habe Hunger und will schlafen“. Oder „Das ist doch irre, die spinnen wohl, lasst mich sofort hier raus!“. Auch „ich setze mich jetzt nicht mehr hin – werfen Sie mich doch aus der Maschine!“ war kurz ein Renner.
In Anbetracht der Tatsache, dass ca. 200 Fluggäste ohne eigene Anstrengung von einer spanischen Crew ohne Rücksicht auf deren eigene Gesundheit aus einem Risikogebiet ausgeflogen wurden, ein Highlight zum Thema „Fremdschämen“. Und ich würde mich freuen, wenn tatsächlich jmd. von den Fluggästen diesen Beitrag liest – das was „ihr“ da abgeliefert habt, hat mich zutiefst erschüttert. Statt Dankbarkeit nur Randale. Statt Freundlichkeit und Kooperation nur Hass und böse Worte. Schämt euch!!!
Kurz nachdem das Mediteam die Befragung der potentiell Infizierten abgeschlossen hatte, ging es dann raus aus der Maschine und ab durch Passkontrolle und Gepäckausgabe. Hier verlief alles problemlos, kein Gepäck verloren, alles fein. Am Airport warteten schon Familien, Freunde, Autos und Taxis und haben uns in Richtung Betten gebracht – um 02:30 waren Susi und ich in Köln, der Tag war durchaus spannend, lang und anstrengend. Und auch wenn 2 Stunden in einem Flugzeug vielleicht nicht die Traumlösung nach der Landung ist, da die Chance auf Verteilung von Viren während der Zeit sicherlich nicht gering war, sind wir froh, dass die Crew cool und freundlich geblieben ist.
Zum Ende des Reiseblog 2020 zu unserer Betreuten Kitereise Ägypten möchten wir uns – ich denke auch im Namen aller Beteiligten – von ganzem Herzen bei all den Leuten bedanken, die an dieser Story beteiligt waren:
- Bei allen unseren Kunden – egal ob vor Ort oder in Gedanken bei uns. Ihr seid die Besten!!!
- Beim Team der Redsea-Divingsafari – vor allem bei Sarah, Eli, Hisham, Rafik und Ahmed. Shukran ketir, habibis & habibas!
- Bei dem freundlichen Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Cairo, der für uns den Rückflug organisiert hat – leider weiß ich nur noch, dass er aus dem Rheinland kommt, den Rest habe ich im Trubel vergessen. Falls Sie das hier lesen, würde ich mich über eine Kontaktaufnahme freuen!
- Bei TUIfly und vor allem der spanischen Crew, die trotz hohem Risiko professionell den Rückholflug abgewickelt hat und sich von den Spinnern in der Maschine nicht hat aus der Ruhe bringen lassen.
Wir hoffen, dass Dir unser Ägypten Reiseblog 2020 gefallen hat und wünschen Dir und allen Menschen für die nächsten Wochen Ruhe und Besonnenheit. Bleib gesund und bis hoffentlich bald!
Thilo & Susi
kitesafe.de
6 Kommentare
Hi Thilo,
was für eine – um in deinen Worten zu bleiben – super krasse Geschichte!
Und ihr habt dem Wort „betreutes“ wohl alle Ehre und mehr gemacht. Krass wie sich TUI, ihr gekümmert und organisiert habt. Wahnsinn! Was für eine Odyssee!
Covid-19 hat uns wohl alle kalt erwischt. Den einen Tag noch in eine Ausstellung besucht, am nächsten Tag alle Galerien bis auf weiteres geschlossen. Alles macht dicht, alle müssen zu Hause bleiben.
Und das alles kein Spass ist, haben wir nun nochmal ganz direkt erfahren müssen. Mein Vater musste nochmal ins Krankenhaus, geplant und unumgänglich. Da er an Demenz leidet wollte meine Mutter wieder (wie schon zuvor) mit ihm ins Krankenhaus um ihn dort zu betreuen. Wegen Corona ist dies aber nun nicht möglich. Mein Vater alleine im Krankenhaus, meine Mutter alleine zu Hause voller Sorge. Keine schöne Situation.
Von daher das Motto der Tage „Gesund bleiben“, verantwortlich handeln, Abstand wahren… auch wenn´s scheiße ist.
Aber super, dass ihr alle gut heimgekommen seid!
In diesem Sinne, ich bin 2021 auf alle Fälle mit dir dabei in Ägypten!
2020, es wird in die Annalen…. Ähhhh, nun ja. Danke Thilo u.die Susi, für meinen ersten Ägyptenurlaub der mich noch tief beeindruckt, positiv…. der Seitenbandinnenriss eher, naja.
Krass!
Betreute Kitereisen 2.0
Mehr fällt mir dazu nicht ein.
TUI haben einen Megajob gemacht.
All die anderen auch. Ich freue mich auf euch.
Alle! In Loissin. In Wadi Lahami. Auf bald 🤙🏻
Grüße aus Berlin!! Schöne Berichte und gut das ihr alle wohl zurück seit, nach diesem Chaos. Auf bald in Loissin…
Da wollten wir evtl. auch nach Ägypten (da uns im Sommer niemand das Camp ausreden wollte) und dann das! Aber Loissin ist für Juli /August geplant! Wir sehen uns
Hallo ihrs,
Habe jetzt auf der Arbeit das erste mal Zeit, in Ruhe euren Blog zu lesen. Es ist ja echt eine Wahnsinnsgeschichte. Und da ich ja schon oft dort war, kann ich mich in alles einfühlen, was am Anfang superschön und zum Schluss echt krass war. Ich hatte mich gefreut, dass ihr gut zurückgekommen seid, was ihr aber in der Zeit erlebt hat, ist unvergesslich. Trotzdem bleibt Ägypten unser traumziel und es wird sicher ein nächstes mal geben.
In diesem Sinne…
corona- und stressfreie Zeit wünscht
eure Edith
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